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Fragen und Antworten des TLV

1. Hält Ihre Fraktion eine Änderung des Thüringer Schulgesetzes zum derzeitigen Zeitpunkt für notwendig? Warum/Warum nicht?

Ja, und zwar sehr dringend – aber nicht auf der Grundlage der Vorschläge von Rot-Rot-Grün und der damit verbundenen Mehrbelastung für Lehrer und Schulleitungen. Als CDU haben wir bereits im Frühjahr 2021 mit der FDP einen eigenen Schulgesetzentwurf eingebracht, mit dem wir u.a. die Förderschulen stärken wollen. Ziel ist es, sie als eigenständige Lernorte zu erhalten und den gemeinsamen Unterricht in Abhängigkeit der vorhandenen Ressourcen umzusetzen. Die Wahlfreiheit der Eltern, ob Förderschule oder gemeinsamer Unterricht, soll wieder gesetzlich garantiert werden. Die von der Ramelow-Regierung geplanten Zwangsfusionen etablierter Grund- und Regelschulen und das neuerliche Infragestellen von mehr als 40 Prozent der Schulstandorte durch die pauschale Festlegung der Zweizügigkeit in allen Jahrgängen lehnen wir ab. Für uns gilt: „kurze Beine, kurze Wege“.

2. Ein wesentlicher Punkt der im Landtag vorgestellten Pläne betrifft das längere gemeinsame Lernen in Form von Gemeinschaftsschulen. Wie steht Ihre Fraktion dazu?

Die von Rot-Rot-Grün vorgesehene abermalige Besserstellung der Gemeinschaftsschulen gegenüber anderen Schulformen lehnen wir ab. Die Gemeinschaftsschule ist eine gute Schulform für großstädtische Regionen mit vielen Schülern. Die Umsetzung ihres klassischen Konzeptes bedingt jedoch Mindestschülerzahlen von ca. 600, was im ländlich geprägten Thüringen oft nur zu Lasten anderer Schulformen umsetzbar ist. Wir wollen Entscheidungen für beste Bildungsqualität, unabhängig von den Streitigkeiten über Schulartbezeichnungen.

3. Schon vor mehreren Jahren – konkret: im Januar 2020 – hat sich im Rahmen einer Befragung durch den tlv eine überwältigende Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer gegen das automatische Aufrücken nach den Klassenstufen 5 und 7 ausgesprochen (s. Anlage). Künftig werden, wenn die derzeitigen Pläne umgesetzt werden, möglicherweise noch weniger Versetzungsentscheidungen getroffen als bisher. Sollte hier nicht lieber auf die Erfahrungen der Lehrerinnen und Lehrer vertraut werden?

Wir schätzen vor allem die Erfahrung und Kompetenz der Lehrer vor Ort. Sie wurden dafür ausgebildet, im Team die richtige pädagogische Entscheidung zur Versetzung zu treffen. Mit unserer Gesetzesänderung fordern wir die Wiedereinführung dieser Entscheidung nach jeder Klassenstufe. Der Verzicht darauf führt in vielen Fällen dazu, dass Lerndefizite in die nächste Klasse mitgenommen werden und Rückstände nicht mehr aufzuholen sind. Dies spiegelt sich in den bundesweit höchsten Zahlen von Schülern ohne Abschluss wieder.

4. Die „Besondere Leistungsfeststellung“, mit der die Thüringer Gymnasiasten nach der 10. Klasse den Regelschulabschluss erwerben, wurde nach den schrecklichen Ereignissen von 2002 eingeführt. Nun steht die Abschaffung im Raum. Wie positioniert sich Ihre Fraktion dazu und warum?

Wir sind uns bewusst, dass die BLF eine große Anforderung für Schüler und viele Lehrer darstellt. Der Erfolg des Thüringer Bildungssystems beruhte jedoch immer auf dem Prinzip von Fördern und Fordern. Deshalb sollte auch weiter gelten: „Kein Abschluss ohne Prüfung“. Nach 20 Jahren können wir uns dennoch vorstellen, diese Prüfung weiterzuentwickeln. Kurzfristig müssen die vielen Belastungen, die Schulen und Lehrern in den letzten Jahren aufgebürdet wurden, insgesamt betrachtet und reduziert werden.

5. Einmal abgesehen von der geplanten Gesetzesänderung: Welche konkreten Maßnahmen zur zeitnahen Entlastung der in den Schulen Beschäftigten halten Sie für machbar?

Wir wollen die Attraktivität des Lehrerberufs und die Bildungsqualität erhöhen. Ziel unserer vielen Initiativen (vgl. www.christian-tischner.de/bessere-bildung) ist es u.a., Lehrer von Zusatzaufgaben zu entlasten, damit diese sich wieder ganz auf den Unterricht und die Arbeit mit Schülern konzentrieren können. Dokumentationen und Bürokratie für die Schublade lehnen wir ab. Um die Personalsituation zu entspannen, setzen wir kurzfristig auf die Qualifizierung und bestmögliche Unterstützung von Seiteneinsteigern. So würde z.B. das Programm „Grau macht schlau“ mehr Akzeptanz finden, wenn es als Mentoren-Programm zur Betreuung von Seiteneinsteigern genutzt werden könnte. Unser Ziel bleibt es außerdem, Engagement zu belohnen und ein Beförderungssystem zu entwickeln. Auch die Vertretungsstunden sollten über die arbeitsrechtliche Verpflichtung hinaus finanziell voll ausgeglichen werden.

Interview veröffentlicht im Mitgliedermagazin des tlv, 23-1